Herdenverhalten (Geld-Psychologie : Das Investment - Academy / Finanzakademie)

Anlegen an der Bösen ist im Grunde ganz einfach. Es gibt ein paar Prinzipien, deren Beachtung jede und jeden langfristig zum erfolgreichen Anleger machen kann. Viele Entscheidungen beruhen jedoch nicht auf logischen Überlegungen, sondern auf Daumenregeln.

Psychologen sprechen dann von Heuristiken, die uns Menschen bei begrenzter Information und limitierter Zeit dabei unterstützen, Kauf- oder Verkaufsentscheidungen zu treffen. Bei der Anwendung von solchen vereinfachten Entscheidungsregeln, die meist unter Zeitdruck genutzte werden, kann es jedoch auch zu Entscheidungsfehlern mit gravierenden Folgen kommen.

Herdentrieb zieht die Rendite runter

Deshalb wollen wir uns in diesem Beitrag mit einem der wichtigsten typisch menschlichen Fehler beschäftigen, der die Rendite unserer Anlageentscheidungen stark nach unten zieht:

dem Herdentrieb.

Unser Gehirn ist im Grunde immer noch das gleiche wie in der Altsteinzeit vor 100.000 Jahren.

Zivilisiert leben wir erst seit ein paar tausend Jahren, und diese Zivilisation ist nach wie vor ziemlich wackelig, wie wir täglich in den Medien erfahren. Bevor es dazu kam, haben wir Menschen in Herden gelebt, da das in der Savanne eine gute Überlebensstrategie war.

Wenn wir unsere Entscheidungen heute wie damals treffen, indem wir der Gruppe folgen, der wir angehören, ohne eigene Analysen zu machen und Verhalten, Stile oder Einstellungen ungeprüft von anderen Menschen übernehmen, so sprechen Verhaltensökonomen vom Herdentrieb.

Telekom-Aktie als Beispiel für Herdentrieb

Zu welchen Problemen das bei der Kapitalanlage führen kann, konnte man gut beim IPO der Deutschen Telekom in den 1990er Jahren, dem größten an der deutschen Börse beobachten.

Die Aktienkultur in der Bundesrepublik war damals schlecht bis nicht entwickelt. Es gab Sparbuch und Fonds. Einzelne Aktienwerte kaufte kaum jemand. Der Telekom-Börsengang wurde im für Technologieaktien positiven Marktumfeld – „Neuer Markt“ genannt – zu einem Wendepunkt. Viele Menschen griffen – gelockt von einer großen Werbekampagne mit dem Tatort-Kommissar Manfred Krug als Testimonial – zu und kauften die „Volks-Aktie“ Deutsche Telekom, auch solche, die keinerlei Vorerfahrungen mit Aktienanlagen hatten.

Zwischenzeitlich gehörte die Telekom zu den weltweit wertvollsten Unternehmen und der deutsche Finanzminister hätte mit einem Verkauf des noch dem Bund gehörenden Aktienpakets einen Großteil der deutschen Staatsschulden auf einen Schlag zurückzahlen können.

Topwert 25,6 Milliarden US-Dollar

Das waren die größten Börsengänge weltweit

Jeder wollte eine Aktie haben, weil auch der Nachbar, der Kollege oder ein Freund zeichnete. Der Ausgabepreis der dritten Tranche der Telekom-Aktie von damals umgerechnet 63,50 Euro markierte schließlich den Wendepunkt – ein Kurs, der niemals mehr auch nur annähernd erreicht wurde. Die meisten Anleger verloren eine Menge Geld und zogen sich enttäuscht von der Börse zurück – eine der tieferen Ursachen für die immer noch schwach ausgeprägte Aktienkultur in Deutschland. 

Verluste durch Herdenverhalten

Aktuellere Beispiele sind Meme-Aktien, wenn sie im Internet oder sozialen Medien, wie Reddit, Facebook, Twitter oder Tik Tok befeuert werden, wie etwa Gamestop (GME), AMC Entertainment und Bed Bath & Beyond (BBBY). Auch wenn Anleger ihre Meme-Aktien feiern, verlor etwa BBBY in den vergangenen zwölf Monaten weit mehr als 90 Prozent ihres Wertes.  

Ebenso kann Herdenverhalten tatsächlich realpolitische und -ökonomische Auswirkungen haben. Ein Beispiel ist die Covid-19-Pandemie als durch Hamsterkäufe die Preise von Speiseölen, Toilettenpapier und Mehl explodierten. Ein weiteres der Bank Run, der kürzlich bei der Silicon Valley Bank entstand. 

Was sie gemeinsam haben: Statt von der Herde zu profitieren, haben alle Teilnehmer durch ihr Verhalten erhebliche Verluste gemacht.

Gefährliches Herdenverhalten am Kapitalmarkt  

Denn: Unser Steinzeitgehirn spielt uns einen Streich. In der Savanne ist man sicherer, wenn man in der Herde bleibt, statt als Einzelgänger herumzulaufen. Auf dem modernen Kapitalmarkt kann genau das Gegenteil passieren.  

Der Grund dafür: Wenn alle gleichzeitig eine Aktie kaufen, steigt die Bewertung eines Unternehmens stärker an als fundamental gerechtfertigt ist.

 

Dennoch verfallen nicht nur Laien diesem sozialen Effekt! Auch Manager und Finanzmarktanalysten in Märkten mit unvollkommener Information orientieren sich bei ihren Prognosen erwiesenermaßen nicht an realistisch zu erwartenden Ertragsströmen, sondern an dem, was die Mehrheit der Analysten und Kollegen prognostizieren.

Herdenverhalten vermeiden

Leider gibt es nicht die eine, einfache Verhaltensregel, deren Anwendung verhindert, dass man selbst zum Opfer von Herdenverhalten wird.

Wichtig ist es, eine Sensibilität dafür zu entwickeln, dass dieses Phänomen überhaupt existiert.

Ein Warnsignal ist, wenn sich plötzlich ganz viele Menschen im eigenen Umfeld oder in sozialen Medien über den gleichen „heißen Tipp“ austauschen – dann sollten alle Alarmglocken angehen – und man sollte unbedingt nochmal selbst nachdenken.

Wenn es dir gelingt diese Regel in deinem Gehirn zu verankern, wird es sehr viel unwahrscheinlicher, dass du Opfer von Herdenverhalten wirst!

Über die Autoren

Finanz-Prof.  Gösta Jamin und Christoph D. Wahlen sind Gründer der Finanzakademie – by PRO Coaching. In den vergangenen Jahrzehnten haben die beiden an der Börse selbst schmerzliche Erfahrungen mit Fehlern gemacht, die eigentlich vermeidbar gewesen wären und geben ihr Wissen an Anleger, Trader und Investoren in ihren Kursen weiter.

In der Serie „Geld-Psychologie” schreiben sie über Fallen, die unser Gehirn uns stellt, um dir dabei zu helfen, sie aufzudecken und zu vermeiden. Mehr Infos und Weiterbildungsangebote findest Du auf Finanzakademie – by PRO Coaching.

 

Unseren Original-Artikel bei Das Investment- Academy, findest Du hier:

 

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