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Home Bias: Heimische Aktien sind beliebt – aber oft nicht die beste Idee

Zu Hause schmeckt’s am besten – warum das beim Essen stimmen mag, bei der Geldanlage aber zu fatalen Fehlschlüssen führt

Viele von uns investieren einen überproportional großen Teil ihres Vermögens in ihnen vertraute Unternehmen und Märkte und verzichten damit auf internationale Diversifikation. Ist dieser so genannte Home Bias (sperrig auf Deutsch: Heimatmarktneigung) überhaupt ein Problem? Gibt es nicht auch zusätzlich Risiken z.B. aus Währungsschwankungen als Folge international gestreuter Anlagen?

Am 22. Juni 2023 ist Harry Markowitz, der Ökonomie-Nobelpreisträger des Jahres 1990, im Alter von 95 Jahren verstorben. Auf ihn geht die Moderne Portfoliotheorie zurück. Diese schon in den 1950er Jahren entwickelte Theorie hat einen einfachen Gedanken entwickelt, nämlich die Diversifikation von Geldanlagen: „Lege niemals alle Eier in dasselbe Nest!“

Markowitz hat mathematisch gezeigt, dass es für einen Anleger vorteilhaft ist, seine Anlagen auf möglichst viele verschiedene einzelne Assets zu verteilen. Verluste bei einzelnen Anlagen werden durch Gewinne bei anderen Anlagen ausgeglichen, so dass das Risiko eines stark diversifizierten Portfolios, bei gleichem Renditepotential, geringer ist als das eines wenig diversifizierten. Damit werden Klumpenrisiken vermieden.

Ein ganz einfacher und logischer Gedanke, der jedem auch ohne mathematischen Beweis unmittelbar einleuchtet.

Umso weniger verständlich ist es, dass die meisten Depots von Anlegern einen so genannten Home Bias aufweisen. Dieser liegt vor, wenn ein überproportional großer Anteil des angelegten Geldes im Heimatmarkt und nicht international breit gestreut angelegt wird. Zur Orientierung: Der deutsche Aktienmarkt hat einen Anteil von ca. 1,5 Prozent der Marktkapitalisierung des globalen Aktienmarkts. Ein perfekt diversifizierter Anleger dürfte also nur diesen Anteil seines Portfolios in deutsche Aktien investieren.

Wenn Deutsche mehr als 1,5 Prozent in deutsche Aktien investieren, unterliegen sie dieser Tendenz zum Home Bias. Dies gilt sowohl für Anleger die in Einzeltitel investieren, als auch für solche, die in breit gestreute ETFs anlegen.

Das Problem: Unser persönliches wirtschaftliches Wohlergehen ist sehr stark abhängig von der allgemeinen ökonomischen Entwicklung in Deutschland. Das gilt für unser Arbeitseinkommen, das abgezinst meistens unser größtes einzelnes Asset darstellt. Wenn es der deutschen Wirtschaft gut geht haben wir gute Chancen ein ordentliches Einkommen zu erwirtschaften. Wenn es ihr schlecht geht haben wir schlechtere Verdienstmöglichkeiten.

Falls wir eine Immobilie besitzen gelten dafür die gleichen Überlegungen. Wenn es der deutschen Wirtschaft gut geht, steigt ihr Wert, wenn es ihr weniger gut geht, fällt er.

Das Risiko unseres Arbeitsplatzes können wir mangels Teilbarkeit überhaupt nicht diversifizieren. Das Gleiche gilt auch für unsere Immobilie. Insofern haben wir ganz automatisch in unserem Portfolio ein mit der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland korreliertes Klumpenrisiko. Wenn wir dann auch noch unsere Geldanlagen in Deutschland tätigen verzichten wir komplett auf die Chancen der internationalen Diversifikation.

Welche Nachteile das bringen kann zeigt die aktuelle Entwicklung im Jahr 2023. Während die Konjunkturforscher für die deutsche Wirtschaft eine reale Schrumpfung vorhersagen – mit allen Wirkungen die das auf unsere Einkommen hat – prognostizieren sie für andere Wirtschaftsräume ein robustes Wachstum.

Warum unterliegen wir Menschen überhaupt diesem Home Bias? Unser steinzeitliches Gehirn spielt uns auch hier einen Streich. Wir finden das gut, was wir kennen. Im steinzeitlichen Leben in der Savanne war es für das eigene Überleben absolut notwendig bei der eigenen Herde, also den vertrauten Mitmenschen zu bleiben und kein unnötiges Risiko einzugehen. Nun leben wir aber nicht mehr in der Savanne und können uns per Knopfdruck Informationen über die ganze Welt holen.

Stattdessen meinen wir einheimische Unternehmen besonders gut zu kennen, selbst wenn wir dort gar nicht arbeiten, weil wir Leute kennen die dort arbeiten oder weil wir ihre Produkte nutzen. Kontakt schafft Sympathie, aus diesem Grund halten wir diese Unternehmen auch für eine gute Kapitalanlage.

Aus dieser Überlegung könnte ein schwäbischer Autofahrer, der gerne schwäbische Autos fährt (wie einer der Autoren dieses Beitrags), die Mercedes-Benz AG für ein besonders gutes Unternehmen halten und deren Aktien kaufen. In Wahrheit verfügen wir als Außenstehende allerdings über keinerlei Insiderwissen über diese Unternehmen, weder über Marktentwicklungen, noch über dessen Profitabilität. Selbst wenn wir dort arbeiten würden und über echtes Insiderwissen verfügen, dürften wir es überhaupt nicht nutzen (zumindest wenn wir uns an die Compliance-Regeln halten, welche den Insiderhandel verbieten).

Neben der Reduzierung des Risikos hat es auch noch einen weiteren Vorteil über den eigenen Tellerrand hinaus zu schauen und den Home Bias zu reduzieren: Renditepotential!

Während der DAX überwiegend Unternehmen enthält, die es auch vor 100 Jahren bereits gab (SAP ist eine Ausnahme, die diese Regel bestätigt), enthalten internationale bzw. vor allem US-Aktienindizes auch neue, schnell wachsende Unternehmen aus der Technologiebranche, die in den vergangenen Jahren die Kurszuwächse z.B. beim S&P 500 getrieben haben.

Wichtig ist es, sich diesen Bias bewusst zu machen und Unternehmen und Märkte nicht nur deshalb für gut zu befinden, weil man sie (vermeintlich) kennt. Konsequente internationale Diversifikation ist ein wichtiger Hebel für den langfristigen und nachhaltigen Anlageerfolg. Anleger sollten ihren Blick über Sektor-, Heimat- bzw. Landesgrenzen richten, um ihr Risiko zu minimieren und keine Rendite-Chancen zu verpassen.

Über die Autoren

Christoph D. Wahlen und Finanz-Prof. Gösta Jamin sind Gründer der Finanzakademie – by PRO Coaching. In den vergangenen Jahrzehnten haben die beiden an der Börse selbst schmerzliche Erfahrungen mit Fehlern gemacht, die eigentlich vermeidbar gewesen wären und geben ihr Wissen in ihren Kursen an Anleger, Trader und Investoren weiter.

In der Serie „Geld-Psychologie” schreiben sie über Fallen, die unser Gehirn uns stellt, um dir dabei zu helfen, sie aufzudecken und zu vermeiden. Mehr Infos und Weiterbildungsangebote findest du auf Finanzakademie – by PRO Coaching.

 

Unseren Original-Artikel bei Das Investment- Academy, findest Du hier:

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